Hemd in alter Pfaff J von 1913 liegend
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Hemden in der Kaiserlichen Armee 1910-1919

In diesem Blogbeitrag sollen die Hemden, wie sie im Ersten Weltkrieg im Gebrauch waren, thematisiert werden. Natürlich werden auch die zivilen Hemden dargestellt. Dazu gehen wir zuerst auf den historischen Hintergrund ein, wobei wir uns auf die Quellen konzentrieren. Danach sehen wir uns an, wie die Hemden hergestellt und an die Soldaten verteilt wurden. Dabei spielt der Unterschied zwischen Offiziers- und Mannschaftshemden eine große Rolle, ebenso wie die Funktion der Liebesgaben. Schließlich werfen wir einen Blick auf die Details und Unterschiede zwischen zivilen und militärischen Hemden, bevor wir zum Fazit kommen.

 

 

Herkunft der Hemden

Grundsätzlich wurde die Ausrüstung von der Armee gestellt, einschließlich der Unterwäsche, wenn man ein einfacher Soldat der Mannschaften war. Freiwillig-Einjährige sowie Offiziere mussten sich privat ausstatten, durften (und konnten) sich aber auch zusätzliche Ausrüstung leisten, die nicht in den Bekleidungs – Ordnungen zu finden waren. Dennoch hatten diese Zugriff auf die vom Kommiß gestellten Sachen, was im späteren Kriegsverlauf wichtig wurde. Gerade für diese Ränge gab es eine größere Bandbreite als für die gewöhnlichen Soldaten.

 

Offiziershemden

Als Quellen kommen hauptsächlich Tagebucheinträge sowie Briefe in die Heimat zu Wort. Zusätzlich dazu Zeitungsberichte und Ausschnitte. Der Schwerpunkt liegt hier klar auf Kavalleristen, namentlich Eberhard Frhr. von Senden, ein Garde-Dragoner und bei Ausbruch des Krieges Leutnant. Sowie Frhr. Albrecht Knigge, der sich im Juni 1916 mit 17 ½ Jahren freiwillig zur preußischen Armee meldete und als Fähnrich zu den (magdeburgischen) Husaren Nr. 10 kam.

Bereits am 30.08.1914 schrieb Senden in sein Tagebuch: “Jeder kaufte sich noch drei ‘Kriegshemden’ in grüner Farbe, um uns einzubilden, wir trügen auch nach Tagen immer noch saubere Wäsche.” (Senden, Weltkrieg, S. 61)

Interessant an diesem Eintrag ist die Erwähnung der Farbe, da die Unterwäsche in der Regel Weißwäsche war. Die Hemden kaufte er kurz bevor er mit seinem Regiment von der Westfront in die Ostfront verladen wurde.

Knigge dagegen listet in einem Brief an seine Mutter, die diese Liste in ihr Tagebuch am 20.01.1917 überträgt, ganze 68 unterschiedliche Gegenstände auf. Auf dieser Liste finden sich sowohl Bekleidungs- wie auch Ausrüstungsstücke, wie der folgende Auszug verdeutlicht:

 

“Packliste für das Marschgepäck:

                  1. 5 seidene Hemden
                  2. 4 Unterhosen
                  3. 6 Paar wollene Strümpfe
                  4. 1 Kopfschützer, 1 Paar Pulswärmer
                  5. 1 Lederweste
                  6. 1 lederne Unterhose”

 

(Reichenbach, Weltkrieg, S. 87) Interessanterweise stellt Knigge später fest, wie unnütz viele seiner Ausrüstungsgegenstände waren und stellt dabei besonders die ledernen Unterhosen heraus (vgl. auch Anm. 46).

Zur Begründung, warum er sich für teurere Hemden aus Seide entschied, führte er zwei Monate früher in einem Brief am 13.11.1916 aus:

 

“6) Hemden. Hierfür haben mir viele Offiziere geraten nur seidene zu nehmen, da sie sehr viele Vorteile aufweisen. Sie halten die Läuse ab. Sie können in jedem Graben gewaschen werden und lassen sich ungeplättet[=ungebügelt] tragen und trocknen sehr schnell. Ein großer Vorzug ist noch, daß sie beim Packen einen winzigen Raum beanspruchen.” (Reichenbach, Weltkrieg, S. 72).

 

Die Seidenhemden konnte er über eine Bekannte beziehen, wodurch Knigge diese nicht nur günstiger, sondern auch ohne Bezugsschein bekam. Obwohl sich die Liste aus 68 verschiedenen Bestandteilen zusammengesetzt, schrieb Knigge am 15.01.1917 in einem Brief: “Ich werde so wenig wie möglich mitnehmen, da ich mir sage, daß die Mannschaften doch auch fast nichts außer dem, was sie am Leibe haben, mit sich führen. Trotzdem leben sie und fühlen sich glücklich.” (Reichenbach, Weltkrieg, S. 83)

Ob sich die Mannschaften tatsächlich so glücklich fühlten darf durchaus bezweifelt werden, doch soll an dieser Stelle vorerst nicht weiter darauf eingegangen werden. Demnach waren die Mannschaften auf die Kommißhemden angewiesen. Doch es gab auch noch weitere Quellen, um an Hemden zu kommen. Gerade durch die Liebesgaben wurden die Mannschaften erheblich unterstützt.

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Hemden in den Liebesgaben

Auch wenn sich die meisten gewöhnlichen Soldaten private Anschaffungen nicht oder nur bedingt leisten konnten, wurden viele Güter des täglichen Bedarfs durch gezielte Aktionen wie „Liebesgaben“ an die Masse verteilt. Das Phänomen der Liebesgaben findet sich bereits im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 [Beiträge zur Geschichte von Meinerzhagen Festschrift zum 40jährigen Bestehen des Wehrvereins Meinerzhagen 1873 – 1913 Am Friedensfeste zu Meinerzhagen den 8. August 1871, S. 66] und wurde im Ersten Weltkrieg wieder aufgegriffen, insbesondere zu Beginn des Krieges. 

Diese Liebesgaben-Kampagnen wurden hauptsächlich von Städten, Organisationen wie dem Roten Kreuz und privaten Vereinen sowohl auf lokaler als auch auf Reichsebene organisiert. Die Waren selbst wurden von Unternehmen und Privathaushalten bereitgestellt. Das bedeutet, dass Hemden aus der Heimproduktion ihren Weg an die Front fanden.

Innerhalb eines Artikels aus dem „Wiesentboten“ vom 6.11.1914 wurden diverse Liebesgaben aufgezählt, darunter „6 ungebleichte und 1 farbige wollene Unterhose, 2 farbige Hemden”. Als weiteres Beispiel soll eine kölnische Liste aus dem Jahr 1915 dienen. Diese zeigt die breite Palette an Waren, darunter 1000 Hemden (!), die zu Weihnachten 1915 von der Stadt Köln an die Front geschickt wurden. Im Mai 1917 ließ eine Berliner Zeitung verlautbaren, dass zu Anfang des Krieges “größeres Gewicht auf wollene Unterkleidung sowie Lebens- und Genussmittel gelegt” wurde. Hier werden zwar keine präzisen Zahlen bzgl. der Kleidung genannt, dennoch gibt es Aufschluss über das Material.

https://www.tumblr.com/koeln1914-blog/135906418383/sammlung-k%C3%B6lnisches-stadtmuseum-waggonladungen

 

Diese Beschreibungen der Liebesgaben finden sich massenhaft in allerlei Zeitungen. Also ergibt sich der Rückschluss, dass diese Gaben, u.a. Hemden, bergeweise in Heimarbeit produziert wurden. Dass sich erdrückend viele Berichte bzgl. der Liebesgaben innerhalb aller möglichen Zeitungen finden liegt daran, dass diese “eine zentrale ideologische Funktion in der Kriegspropaganda des Roten Kreuzes” einnahmen und “massiv das Pflichtbewusstsein der ‘Heimatfront’ “ beeinflussten, wie Larena Schäfer richtig bemerkt. Daneben gab es noch schriftliche Liebesgaben, auf die an dieser Stelle nicht näher eingegangen wird. “Diese wechselseitige, propagandistische Beziehung und die konkrete Liebesgabenpraxis im Laufe des Krieges [waren] die zentralen Aspekte” der Propaganda des Roten Kreuzes.

 



 

Bücher wie “Das Buch der Wäsche” waren in vielen Haushalten zu finden. Allein diese eine Quelle zeigt viele verschiedene Muster für Hemden des alltäglichen Gebrauchs. Dabei stechen besonders die Krägen sowie die Knopfleisten, die sich auf der Brust befinden, hervor. Die Hemden des täglichen Gebrauchs unterschieden sich nicht mehr allzu groß von denen, die standardmäßig von den Bekleidungsämtern an die Truppen ausgegeben worden sind.

 

Vergleich von Zivil- und Militärhemd

Nachdem wir nun wissen, dass sich die Hemden aus allen möglichen unterschiedlichen Quellen gespeist haben, werfen wir einen Blick auf die Erscheinungsformen. Dazu schauen wir uns einen Reproduktionsversuch an, den ich selbst angefertigt habe sowie ein Original, das ungefähr aus der Zeit um 1900 stammt. Diese Hemden gleichen wir mit den Quellen ab. Mein Reproduktionsversuch basiert auf der Bekleidungs-Ordnung, doch wir vergleichen dieses insbesondere mit denen, die im “Buch der Wäsche” beschrieben werden. Dazu setzen wir das originale Hemd ins Verhältnis.

 



 

Dieses zivile Hemd entspricht dem damaligen Standard. Die Knopfleiste mit Falten waren ein einfaches Designelement, während der Rest des Hemdes schlicht gehalten ist. Am Kragen haben wir Knopflöcher, damit unterschiedliche steife Kragenformen an das Hemd geknöpft werden können und sich dieses für unterschiedliche Anzugsarten eignet. Die Falten in diesem Hemd sind kaum vorhanden und würden bei ausufernden Bewegungen den Träger behindern. 

Im Vergleich dazu hat das vom Militär ausgegebene Hemd ein einfacheres Muster und überhaupt keine spezifischen Designelemente. Es gibt keine Knopflöcher für zusätzliche Kragen und die Knopfleiste ist schlicht und einfach, wie wir sehen können. Auf der unteren Vorder- und Rückseite finden wir zusätzliche Falten für die Bewegung des Oberkörpers und einen besseren Tragekomfort. Diese Falten bzw. die Weite des Hemdes finden wir auch in den Schnittmustern für die einfachen Hemden wieder. Das Ermöglichen der Bewegungsfreiheit war unheimlich wichtig für die Soldaten, um im Kampf bestehen zu können. Ebenso für die Arbeiter, die sich bei der Ausübung ihrer häufig körperlich schweren Arbeit nicht behindern lassen konnten.

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Fazit

Obwohl die deutsche Armee gut organisiert war und einen hohen Grad an Standardisierung aufwies, gab es eine Vielfalt an Unterwäsche, die vom Einkommen des Einzelnen oder von der Versorgung durch andere abhängig war.

Besonders die Lücke zwischen Mannschaften und Offizieren war groß, wie die Anmerkungen von Knigge zeigen. Die Offiziere konnten sich seidene Hemden leisten, während die Mannschaften in erster Linie Hemden aus Baumwolle, ggf. Wolle, Leinen, Flanell, Brennnessel oder was gerade zur Verfügung stand, nutzen mussten. Das Buch der Wäsche erwähnt hierbei auch regionale Unterschiede, die besonders bei den Liebesgaben zum Tragen kamen.

Insgesamt kommt es bei dem Hemd darauf an, dass es viel Bewegungsfreiheit erlaubte. Daneben war die Reinigung und das Sauberhalten der Hemden ein großes Thema. Denn im Einsatz (besonders im Kampfgeschehen wie in den Schützengräben) war das Sauberhalten des Hemdes ein mindestens genauso wichtiges Thema wie das der Bewegungsfreheit. Dabei wird die Bewegungsfreiheit in den Quellen nicht extra erwähnt, das Sauberhalten und die Sauberkeit dagegen schon. Sowohl Frhr. von Senden nutzte Sauberkeit als Begründung für die Wahl von grünen Hemden, als auch Frhr. Knigge seine Wahl für Hemden aus Seide mit Sauberkeit begründete. Weiterhin schienen Knigge viele Offiziere diesen Rat gegeben zu haben, was für eine weite Verbreitung innerhalb des Offizierkorps spricht. Die einfachen Soldaten dagegen hatten in größten Teilen nicht diese Wahl, sondern waren darauf angewiesen, das zu nehmen, was gerade verfügbar war.

 

Quellen

Gedruckte Quellen:

Heinrich Graf von Reichenbach (Ed.): Als Husar im I. Weltkrieg. Briefe, Tagebuchauszüge und Fotographien des Freihern Albrecht von Knigge, Berlin 2014.

Friedrich Frhr. von Senden (Ed.)/Eberhard Frhr. von Senden: Der Erste Weltkrieg 1914-1918 Erlebnisse eines Jungen Leutnants. Ostfront – Patrouillen an der Spitze im Bewegungskrieg. Westfront – Kämpfen, Durchhalten, Überleben im Stellungskrieg, Norderstedt 2020, 2. Aufl.

Petra Hesse/Mario Kramp/Ulrich S. Soénius (Ed.): Köln 1914. Metropole im Westen, Köln 2014.

Brigitta Hochfeldern/Marie Niedner (Ed.): Das Buch der Wäsche. Ein Leitfaden zur zeit- und sachgemäßen Herstellung von Haus-, Bett- und Leibwäsche, sowie zu deren gründlicher Behandlung und Pflege unter Beigabe der erforderlichen naturgroßen Schnitte, Reprint Hannover 1988.

Jürgen Kraus: Die Feldgraue Uniformierng des deutschen Heeres 1907-1918, Band 1, Wien o.J.

 

Digitalisierte Quellen:

-https://sammlungen.ulb.uni-muenster.de/hd/content/pageview/247256

-https://koeln1914-blog.tumblr.com/

-https://www.digital.wienbibliothek.at/wk/periodical/pageview/676484

-https://www.infranken.de/lk/forchheim/1-weltkrieg-unterhosen-fuer-die-lieben-an-der-front-art-622350

-https://www.sprechende-akten.uni-bremen.de/perspektiven-2-liebesgaben-fur-den-schutzengraben-1914-1918/

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