7.7 cm Feldkanone n.A. Verschluß und Rückansicht
Blog,  Erinnerungskultur,  Romane und Bücher

Edlef Köppen: Heeresbericht – Ein autobiographischer Roman?

In diesem Text geht es um Edlef Köppen und seinen Roman „Heeresbericht“, der heute nahezu vergessen wurde. Dazu werden wir zunächst das Buch selbst behandeln, auf seine Geschichte und den Entstehungskontext eingehen. In der Folge werden wir uns dem Autor und seiner Biographie widmen, um den Weg des Autors nachvollziehen zu können. Da er im späteren Verlauf seines Lebens auch im Radio tätig war, kommt auch dies natürlich zur Sprache. Dadurch erhält der Entstehungskontext des Buches eine weitere Tiefe. Zum Schluss setzen wir das Buch nochmal in den Kontext der 1930er Jahre, bevor es zum Fazit geht. Auch hier gibt es wieder ein Video dazu, das aber englischsprachig ist.

 

 

Heeresbericht – Der Roman


Bildtitel

Dieser Roman wurde von Edlef Köppen geschrieben und 1930 veröffentlicht, also in der Spätphase der Weimarer Republik. Ab etwa 1928, also ca. 10 Jahre nach dem Krieg, wurden zahlreiche Romane von Veteranen veröffentlicht. Grund dafür war der große Erfolg von Remarques „Im Westen nicht Neues“, Jüngers „in Stahlgewittern“ und Renns „Krieg“, um welche der erfolgreichsten autobiographischen Romane zu nennen. Allein in Deutschland wurden 1930 112 Bücher veröffentlicht, also eine wahre Flut an Kriegsromanen (Fischer, Jens Malte: Nachwort, in: Edlef Köppen, Heeresbericht, 3. Aufl. Berlin 1915, S. 391-402, hier S. 398). Wir haben es also nicht nur mit einem Phänomen zu tun, sondern mit einem ganzen Genre für sich. Diese Gattung weist ein äußerst vielfältiges Spektrum auf, das von pazifistisch bis kriegsbegeistert, von realistisch über fatalistisch bis nationalistisch reicht. Diese riesige Menge an veröffentlichten Büchern ist ein Grund dafür, dass die meisten dieser Romane heute in Vergessenheit geraten sind.

Im Grunde genommen gibt es eine Menge Forschung über diese Kriegsbücher und das Genre, nur werden wir tiefer eintauchen, nachdem wir uns einige dieser Romane genauer angesehen haben. Es soll hier nur erwähnt werden, dass diese Forschung an die Idee der kulturellen Erinnerung, Medien und Literatur gebunden ist, um einen ersten Eindruck zu liefern.

Nun zurück zum Roman, wovon handelt er? Im Gegensatz zu den meisten Büchern dieses Genres, die von Infanteristen geschrieben wurden und dementsprechend über die Infanterie handeln, ist dieses Buch aus der Sicht eines Feldartilleristen geschrieben. Die meisten Soldaten und Gefallenen waren in der Infanterie zu finden, also haben wir hier etwas Besonderes, da eine andere Waffengattung im Mittelpunkt steht. Auch im Vergleich mit den bereits genannten Romanen, die hauptsächlich das kulturelle Gedächtnis bis heute prägen.

Die Geschichte beginnt bereits im Jahr 1914 und endet im Jahr 1918. Das heißt, wir folgen dem Protagonisten durch den gesamten Krieg. Der größte Teil der Geschichte spielt an der Westfront, nur einige wenige Episoden finden an der Ostfront statt. Während er als Soldat bzw. Kanonier in den Krieg eintritt, steigt er im Laufe des Krieges auf und wird später Leutnant. Da er bei der Feldartillerie ist, finden wir einige Abschnitte, in denen es um Pferde, Reiten und Fahren geht. Der interessanteste Teil dieses Buches ist die Beschreibung eines Kavallerieangriffs auf den Feind im Jahr 1915 und dessen völliges Scheitern.

Dieser Roman verbindet Fiktion und Realität auf einer ganz besonderen Ebene. Es ist einer der ersten deutschen Collage-Romane. Der Autor fügte in seinen Kapiteln verschiedene Zeitungsausschnitte, Befehle, historische Beschreibungen usw. ein. Köppen wollte damit die brutalen Unterschiede zwischen diesen propagandistischen Berichten und der Sicht der höheren Kommandos sowie verschiedener offizieller Stellen auf die Erlebnisse seiner Figur und damit in gewisser Weise seiner eigenen verdeutlichen. Also wird hier besonders ein Widerspruch zwischen diesen verschiedenen Berichten und der Erfahrung des Individuums dargestellt. Es stellt auch die Handlung in einen größeren Zusammenhang und in eine größere Perspektive. Das Problem, das wir generell mit dieser Kriegsliteratur haben, nämlich zwischen Fiktion, Erzählung und Realität zu stehen, ist hier somit noch dichter.

Oder wie Klein treffend formuliert:

Generally, war books were not looked on as ‘literature’, but treated rather as documents; either on a universal level, in which case breadth of historical perspective, ‘balance’, ‘totality’, in short, objectivity were expected – and found lacking; or on a personal level, in which case they were weighed like the depositions of eye-witnesses in a trial – and found wanting more often than not. (Klein, Holger: The Artistry of Political Literature: Essays on War, Commitment and Criticism. Lewiston, Queenston and Lampeter: Edwin Mellen Press, 1994, S. 46.)

 

1933 wurde das Buch zusammen mit anderen bei den Bücherverbrennungen verbrannt, da es als pazifistischer Antikriegsroman galt, den die NSDAP in Vergessenheit geraten lassen wollte. So dauerte es bis zum Jahr 1976, als der Roman das erste Mal nach 1932 wieder verlegt wurde. Von da an wurde er hin und wieder veröffentlicht, hatte aber leider nie eine große Wirkung. Im Jahr 2005 wurde eine niederländische Übersetzung mit dem Titel „Frontberichten“ publiziert. Die englische Übersetzung wurde zuletzt 1931 veröffentlicht und ist daher sehr selten zu finden.

Gefällt der Text und das Projekt?

 

Edlef Köppen – Biographie des Autors


Bildtitel

Frühe Jahre und Kriegserlebnisse – 1893-1918/19

Edlef Köppen wurde am 1. März 1893 in Genthin bei Magdeburg geboren und starb am 21. Februar 1939, sein Vater war Arzt und seine Mutter die Tochter eines Großhändlers. Er besuchte ein Gymnasium in Potsdam. Danach studierte er von 1912-1914 in Kiel und München Germanistik, Philosophie, Kunstgeschichte und Literaturgeschichte. (Zu Köppens Biografie, vgl. auch: Gollbach, Michael: Köppen, Edlef, in: NDB.)

Als 1914 der Krieg ausbrach, meldete er sich im August desselben Jahres als Freiwilliger zum 40. Feld-Artillerie-Regiment (FAR). Dort erhielt er seine militärische Grundausbildung. Im Oktober 1914 kam er zur ersten Ersatz-Abteilung des 40. Feldartillerie-Regiments an die Westfront, wahrscheinlich bei Arras. Er nahm an der Schlacht von Loretto und den Gefechten bei Souchez und Loos teil. Er musste zweimal das Lazarett besuchen. Im Jahr 1916 nahm er an der Schlacht an der Somme teil, wo er sich eine Lungenquetschung zuzog. Diese Verletzung sollte ein wesentlicher Grund für seinen Tod etwa zwanzig Jahre später sein. Nach dieser Verletzung musste er für zwei Monate in das Lazarett in Genrode. Ende 1916 wurde das Regiment an die Ostfront in Russland verlegt. Im Frühjahr 1918 zurück an die Westfront. Das Kriegsende erlebte Edlef Köppen in einer Nervenheilanstalt bei Mainz, nachdem er im September 1918 begann, seine Befehle offen zu missachten, um seine Ambivalenz zwischen Pflichterfüllung und Unmoral des Krieges zu lösen.

Im Dezember 1918 wurde er als Leutnant der Reserve und Träger des Eisernen Kreuzes erster Klasse aus der Armee entlassen. Insgesamt hat er viel vom Krieg gesehen und alle Nuancen davon erlebt. Aufgrund der Wirren des Krieges musste er nicht die Konsequenzen seines Handelns tragen und wurde aus der Nervenheilanstalt entlassen. Nach Kriegsende hatte er gesundheitliche Probleme, die zunächst zu wechselnden Arbeitserfahrungen in der Literaturszene führten.

 

Auf der Suche – 1919-1925

1919 setzte er sein Studium der Germanistik in München fort, ohne es richtig zu beenden, obwohl er eine Dissertation über Zeitschriften der Romantik schrieb, die fast fertig war. Aufgrund finanzieller Probleme konnte er sie jedoch nicht veröffentlichen. 1920 begann er eine Karriere beim Gustav Kiepenheuer Verlag in Potsdam und heiratete Hedwig Witt ein Jahr später 1921. In diesem Verlag hatte er eine leitende Funktion für die Kulturzeitschrift „Die Dichtung“ inne. Aus gesundheitlichen Gründen musste er den Verlag am 1. Mai 1922 verlassen, nach Aufenthalten in zwei Lungenheilanstalten. Im Oktober 1922 nahm er eine Tätigkeit bei einem anderen Verlag „Trowitsch und Sohn“ in Berlin auf, die er aber aus gesundheitlichen Gründen bald wieder aufgeben musste. Mitte Mai 1923 gründete Köppen dann seinen eigenen Verlag, den „Hadern-Verlag“, der sich auf moderne Literatur, Grafik, typografischen Musterdruck und illustrierte Einzelhefte spezialisierte. Er brachte nur wenige Ausgaben heraus und stellte den Verlag im folgenden Jahr wieder ein. Seine Tochter wurde im Juni 1924 geboren. Der finanzielle Kampf der Familie, den die sich wechselnden Anstellungen mit sich brachten, sollte 1925 enden, als Edlef Köppen in den literarischen Beirat der „Funkstunde“ berufen wurde, dem ersten deutschen Radiosender überhaupt in Berlin.

 

Ein Leben für das Radio 1925-1933

Er gehörte zum Kunstprogramm der Literaturabteilung, für die er zuvor als freier Mitarbeiter tätig war. Im Jahr 1929 wurde er Leiter der Abteilung, was ihm sehr gefiel, wie er sagte: „Der Beruf begann, Buchhändler, Verleger, ‚Freier Schriftsteller‘. Die Not begann, der Hunger. – Ich übersetzte Heraklit, schrieb für Tageszeitungen, füllte bescheiden die Schubladen mit Manuskripten. – Endlich kam ein Beruf, der mehr gab als die Möglichkeiten zu Handlangerdiensten: In ihm lebe ich jetzt. Ihn liebe ich. Also kann die Arbeit beginnen.“ (Zitiert nach: Fischer, Nachwort, S. 395) Er hatte neue Ideen zu verschiedenen Formaten im Radio, an denen er auch als Regisseur mitwirkte. Köppen wurde ein wichtiges Bindeglied zwischen dem Literaturbetrieb in Berlin und dem neuen Medium Radio. Mit seinem literarischen Ansatz prägte er vor allem mit seinen Hörspielen die ersten Schritte.

Wegen seines pazifistischen und linksliberalen Engagements als Schriftsteller, Moderator und Verantwortlicher für die literarische Abteilung des Rundfunks wurde er im April 1933 beurlaubt. Auf den Seiten der Deutschlandfunkkultur gibt es auch einen kurzen Beitrag zu Edlef Köppens wirken im Radio. Dort wird etwas Detaillierter auf den Umgang mit ihm Seitens der NS-Diktatur eingegangen, woher der folgende Teil stammt:

Noch mehr tobte die rechte Presse gegen seinen „Pazifistenspuk“ als Köppen 1931 sein Hörspiel „Wir standen vor Verdun“ sendete.

„Kaum kann man die Hand vor den Augen erkennen, als auch schon wieder der ganzen Front die Infanterieschlacht brodelt, knistert und knackt.“
„Es geht um jedes Grabenstück, um jedes winziges Widerstandsnest.“
„Wir standen vor Verdun“, 1931

Seit 1925 arbeitete Edlef Köppen im Rundfunk. Zuständig für Buchkritik, Jugendfunk und Hörspiel. Vor allem viele Autorenlesungen produzierte er. Damit wurde das Radio zum neuen wichtigen Medium für die Literatur, Köppen war aber auch Radiopionier.
„Weg von der Schreibe, die fürs Auge ist, und hin zur Rede, die das Ohr treffen soll.“

Dies hatte auch besonders Josef Goebbels verstanden. Er wollte den Rundfunk in seine Hand bekommen. 1932 erlebte die Hetze der Nazis ihren Höhepunkt. Der Rundfunk-Intendant Hans Flesch wurde entlassen, Köppen diffamiert, sein Büro durchsucht, seine Unterlagen gestohlen, sein Auto demoliert, im Juni 1933 wurde er schließlich fristlos entlassen. Köppen versuchte sich, wie andere, im Film „unterzustellen“, weigerte sich aber beharrlich den Nazis auch nur irgendwie dienlich zu sein. All die Jahre litt er nach wie vor unter seinen schweren Kriegsverletzungen. Denen erlag er 1939 in einem Gießener Sanatorium, noch bevor der Zweite Weltkrieg ausbrach. Danach wurde er gründlich vergessen. Zwar wurde sein Roman „Heeresbericht“ 1976 wieder neu aufgelegt, aber im Rundfunk selbst, seiner einstigen Arbeitsstelle im Haus des Rundfunks in der Berliner Masurenallee, erinnert nichts und niemand an ihn.

Gefällt der Text und das Projekt?

 

Quellen Gesucht? Hier geht es zu den

 

Die letzten Jahre 1933-1939

Ende Juni 1933 wurde er auf Grund der neuen Gesetze der NS-Regierung entlassen. Weitere Gründe für diese Maßnahme waren sein 1930 erschienenes Buch „Heeresbericht“, seine Teilnahme an der „Liga für Menschenrechte“ und Rundfunkbeiträge wie das pazifistische Hörspiel „Wir standen vor Verdun“, das im Februar 1931 zum 15. Jahrestag der Verdun-Offensive aufgeführt wurde. Er legte Einspruch ein, der jedoch im September 1933 abgelehnt wurde.

Von da an war es für Köppen verboten, etwas zu veröffentlichen. So begann er in einer kleinen Filmfirma in der PR, zwei Jahre später wurde er Chefdramaturg bei der „Tobis europe film AG“ und arbeitete an Drehbüchern und Unterhaltungsfilmen. Nachdem Tobis Teil des Propagandaministeriums wurde, geriet er unter Druck, da er sich weigerte, der NSDAP beizutreten und pro-nazistische und antisemitische Filme ins Programm zu nehmen. So war er zwar kein Parteimitglied, seine Bücher standen auf dem Index und er lebte in der inneren Emigration, aber er war bis zu seinem Tod Mitglied der Reichsschriftkammer, hatte eine verantwortungsvolle Position bei der Filmproduktion und musste mit Filmstars zusammenarbeiten, die mit dem Nazi-Regime kollaborierten. Köppen hatte die Idee, ein Buch über den NS-Staat zu schreiben und begann seit 1933, Material dafür zu sammeln, konnte es aber nicht mehr beenden. Er starb am 29. Februar 1939 in Gießen an Lungen- und Kehlkopftuberkulose.

 

Der Roman Heeresbericht im Kontext der 1930er

Köppen schrieb den Roman, während er beim Radio arbeitete. Schon während des Krieges hatte er die Idee, einen Roman über seine Kriegserlebnisse zu schreiben. So bat er seinen Vermieter, einen hohen Beamten im Heeresarchiv in Potsdam, nach Dokumenten zu suchen, die er für seinen Roman verwenden konnte. Es wurden Zeitungsausschnitte und -notizen von Edlef Köppens Mutter gesammelt, vor allem solche, die im Widerspruch zu den Erfahrungen standen, die er an der Front gemacht hatte. Von seinem Roman wurden etwa 10.000 Exemplare veröffentlicht, was im Vergleich zu Remarques „Im Westen nicht Neues“ mit 3,5 Millionen Exemplaren und Renns „Krieg“ mit 150.000 Exemplaren eine recht geringe Zahl ist. (Fischer, Nachwort, S: 398) Nichtsdestotrotz fand der Roman unter Kennern wie Kurt Tucholsky große Beachtung. Für sie war er von großer Wirkung und wurde neben „Des Kaisers Kuli“ von Plivier als der mutigste Roman bezeichnet, der über den Krieg geschrieben wurde. Kurt Pinthus bemerkte zu dem Roman:

„Wiewohl es nicht Dichtung, sondern nur Bericht sein will, wirkt es dennoch als Dichtung.“ Und hier sind wir wieder bei dem Problem zwischen Fiktion, Erzählung und Realität. Durch dieses Spiel mit Fiktion und Realität wirkt er der Manipulation des öffentlichen Bewusstseins, der Kriegsideologie und -realität grundlegend entgegen. Da dieser Roman ein hohes Maß an Authentizität besitzt, wirkt er intensiv auf den Leser ein oder wie Edlef Köppen selbst auf dem Waschzettel der ersten Ausgabe schrieb:

 

„Ich bin am 1. März 1893 geboren. Infolgedessen war ich imstande, mich im August 1914 freiwillig zu den Waffen zu begeben, die ich von Oktober 14 bis Oktober 18 im Allerhöchsten Auftrag als Kanonier, Gefreiter, Unteroffizier, Vizewachtmeister, Offizierstellvertreter, Leutnant der Reserve in West und Ost weidlich führte. Ich tat das mit Begeisterung, mit Pflichtgefühl, mit zusammengebissenen Zähnen, mit Verzweiflung, bis man mir das E. K. I verlieh und ins Irrenhaus steckte.“

 

Der Stil seines Romans ist sachlich distanziert und der neuen Sachlichkeit zuzurechnen und war für die damalige Zeit ein sehr moderner Ansatz, eine Geschichte zu erzählen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Romanen, die noch im traditionellen Stil des 19. Jahrhunderts gefangen waren, wie z.B. „Im Westen nichts Neues“ von Remarque. Insgesamt hat dieser Roman eine große schöpferische Kraft, ist ein Appell an das Gewissen und ein Plädoyer für den Pazifismus. Der Erste Weltkrieg war Edleff Köppens bestimmendes und herausragendes Thema, das er in verschiedenen Schaffensphasen unterschiedlich akzentuierte und artikulierte.

Einerseits gab es für den Roman begeisterte Kritik, obwohl das Publikum der Kriegsbücher schon müde geworden war. Es wurde aber auch die Presse von Rechts mobilisiert, wie Edlef Köppen an seine ehemalige Verlagskollegin Oda Weitbrecht schrieb:

 

„Liebe Mausi, ich hatte in den letzten Wochen übelste Angriffe und eine wilde Hetze von Seiten der Reichspresse. Das war ja zu erwarten. Und es wird ja noch schlimmer werden. Ich habe doch mehrmals gedacht, dass es nicht nur Freunde gibt. Und hatte so ungefähr die Koffer schon gepackt. Nur: Bangemachen lasse ich mir jetzt nicht mehr. Nun erst recht!“
an Oda Weitbrecht-Buchenau, 24.11.1930 (Zitiert nach dem Beitrag von der Deutschlandfunkkultur)

Gefällt der Text und das Projekt?

 

Quellen Gesucht? Hier geht es zu den

 

Fazit und Zusammenfassung

Nun, der Roman ist unübertroffen, unübertroffen als formal avanciertester Kriegsroman, getragen von der ihm eigenen Mischung aus kühler Distanziertheit und leidenschaftlichem Engagement. Der Autor, Edlef Köppen, hat alles vom Krieg von 1914 bis 1918 im Westen und Osten gesehen. Der Roman ist also ziemlich spezifisch was die Waffengattung der Artillerie angeht. Das Besondere daran ist, dass er den Krieg aus der Sicht eines Artilleristen zeigt, im Gegensatz zu den meisten Büchern, die von Infanteristen geschrieben wurden. Die Granaten bekommen ein Gesicht, um es in Worte zu fassen, anstatt nur anonym herumzufliegen und Menschen zu töten, wie es in den meisten Kriegsromanen der Fall ist. Der Roman wurde 1930 veröffentlicht, als eine ganze Welle anderer Kriegsromane erschien, so dass er sich in einer ziemlich starken Konkurrenzsituation befand. Außerdem wurde er zu kurz vor den Bücherverbrennungen durch die Nazis drei Jahre später veröffentlicht, so dass er nicht wirklich eine Chance auf eine größere Verbreitung hatte. Ein weiterer Punkt ist der frühe Tod von Edlef Köppen bereits im Jahr 1939, der es dem Buch noch schwerer machte. Nichtsdestotrotz wurde es später in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wieder veröffentlicht, so dass es offensichtlich wiederentdeckt wurde.

Ich muss zugeben, dass dieses Buch zu meinen absoluten Favoriten gehört. Über den Autor Edlef Köppen ist zu sagen, dass es der NSDAP leider fast gelungen wäre, ihn in die Vergessenheit zu drängen. Seine Arbeit beim Rundfunk ist ebenso vergessen wie sein Hörspiel „Wir standen vor Verdun“, von dem nur noch Fragmente existieren. Ein Grund für diesen Text ist also, etwas für die Erinnerung zu tun, denn das ist ein Buch, das von jedem gelesen werden sollte.

 

 

Quellen

Gedruckte Quellen:

Köppen, Edlef: Heeresbericht

Fischer, Jens Malte: Nachwort, in: Edlef Köppen: Heeresbericht, Berlin 2007 (3. Aufl.), S. 391-402

Schaff, Barbara: Autobiographical Writing and the First World War, in: Ralf Schneider/Jane Potter: Handbook of British Literature and Culture of the First World War, Berlin/Boston 2021, p. 65-85.

Emig, Rainer: The Novel of the First World War, Ralf Schneider/Jane Potter: Handbook of British Literature and Culture of the First World War, Berlin/Boston 2021, p. 86-102

Klein, Holger. The Artistry of Political Literature: Essays on War, Commitment and Criticism. Lewiston, Queenston and Lampeter: Edwin Mellen Press, 1994.

Beaupré, Nicolas: Der Erste Weltkrieg im Roman. Zum Umgang des Historikers mit literarischen Zeugnissen, in: Wolfram Pyta/Carsten Kretschmann: Burgfrieden und Union sacrée. Literarische Deutungen und politische Ordnungsvorstellungen in Deutschland und Frankreich 1914–1933, München 2011, S. 141-158.

Digitalisierte Quellen:

-Fitzel, Thomas: „Nun erst recht!“ (Deutschlandfunkkultur.de)

-Gollbach, Michael, „Köppen, Edlef“ in: Neue Deutsche Biographie 12 (1980), S. 370-371 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119520621.html#ndbcontent
 

Eine Antwort schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert