
Der Kavalleriesattel 1889
In diesem Beitrag werfen wir einen Blick auf den Kavalleriesattel 1889. Dazu klären wir zuerst, was Trachtensättel sind und gehen auf die Vorgängermodelle ein. In der Folge werden die Vor- und Nachteile der verschiedenen Satteltypen behandelt und wie sich der Armeesattel 1889 entwickelt hat. Die Verbesserungen, die der Sattel mitbrachte, werden danach thematisiert. Ebenso wird er weiter ins Verhältnis zu den vorherigen Sätteln gesetzt.
Der Bocksattel – Teil der Trachtensattelfamilie
Bevor der Sattel 1889 eingeführt wurde, standen der preußischen Kavallerie von 1808 bis 1889 zwei Sattelmodelle zur Verfügung. Zum Einen der ungarische Bocksattel, der den Dragonern, den Husaren und Ulanen zur Verfügung stand. Zum Anderen gab es den deutschen Sattel, der bei den Kürassieren im Einsatz war. Diese beiden, wie auch der nachfolgende Armeesattel, gehören zur Gruppe der Trachtensättel, wie heute noch die Western- und Wandersättel.
Die Vor- und Nachteile dieser Sattelfamilie
Die Vorteile der Trachtensättel lagen einmal auf ihrer besonders breiten Auflagefläche, womit eine sehr günstige Druckverteilung auf dem Pferderücken lastete. So war es dem Reiter möglich, zusätzlich zu seinem eigenen Gewicht noch weitere Lasten am Sattelbock zu befestigen. Weiterhin wurde durch die hohe Kammer zwischen den Trachten und Zwieseln eine günstige Ventilation zwischen der Sitzfläche des Sattels und dem Pferderücken ermöglicht, wenn das Pferd einer längeren Beanspruchung ausgesetzt war.
Zudem wurde wegen der hohen Kammer ein starker Druck auf Wiederrist und Dornfortsätze der Rückenwirbel vermieden. Die leichte Kavallerie nutzte den ungarischen Bocksattel, der über eine besonders hohe und breite Kammer verfügte. Der Nachteil lag aber daran, dass der Reiter hier so erhöht saß, dass er kaum über die Gewichtshilfen auf den Rücken des Pferdes einwirken konnte. Bilder für so einen Bocksattel sind hier und hier zu finden.
Zusätzlich gab es einen weiteren Nachteil, der darin begründet lag, dass das reitfertige Satteln des ungarischen Modells mit allen benötigten Ausrüstungsgegenständen eine große Zahl an zeitraubenden Handgriffen brauchte. Also gab es immer wieder Versuche, einen bedienungsfreundlichen Armeesattel zu entwickeln.
Bereits seit Ende des 18. Jahrhunderts gab es innerhalb der Armeen Europas immer wieder Versuche, in denen nicht nur die Vorteile des genannten Trachtensattels basierend auf dem Ungarischem Bocksattel sondern auch des englischen Pritschensattels kombiniert werden sollten.
Das Ziel dabei war, dass der Sattel:
- für das militärische Geländereiten
- leichte sportliche Aktivitäten (z.B. Springreiten)
geeignet sein sollte.
Das Preisausschreiben für den Kavalleriesattel 1889
Zur Einführung eines neuen Sattels initiierte das preußische Kriegsministerium ein Preisausschreiben im Jahre 1887. Dabei gab es einen Erfolg, denn mit der A.K.O. vom 19.12.1889 wurde der Armeesattel 89 eingeführt.
Grundlage des Erfolgs war das unter der Nummer 1859 eingesandte Sattelmodell, das den ersten Preis bekam. Der Gewinner erhielt immerhin 6000 Mark und wurde zwei Jahre später in die Truppe eingeführt. Die Trachten wie auch Zwiesel waren aus Hartholz gefertigt, wobei der hintere Zwiesel durch Metall verstärkt wurde.
Durch diesen Sattel kam es also insgesamt zu einer Standardisierung der Reitausrüstung, die einen weiteren Schritt auf dem Weg zur Einheitskavallerie darstellte. Ebenso gab es eine weitere Standardisierung mittels der anderen Reitausrüstung, auf die an dieser Seite aber an anderer Stelle eingegangen wird.
Vorteile des neuen Armeesattels
Dieser war eine robuste und gleichzeitig leichte Kombination aus Trachtensattel und englischem Pritschensattel, der gleichzeitig ziemlich einfach zu handhaben war. Es gab zwischen den Vorder- und Hinterzwieseln einen Sitzriemen, der aus Transparentleder bzw. Rohhaut gefertigt war. Dieser war tief zum Pferderücken gekrümmt, wodurch der Reiter über sein Gesäß eine enge Verbindung zum Pferderücken hatte. So konnten die nötigen Gewichtshilfen optimal auf den Rücken des Pferdes übertragen werden. Die Konstruktion der Sitzfläche wurde also dem englischen Pritschensattel entlehnt.
Weiter sorgten die hohen Vorder- und Hinterzwiesel dabei für eine gute Ventilation, die aus dem Ungarischem Bocksattel abgeleitet wurden. Damit die Sattelbekleidung sowie -ausrüstung schnell und einfach an den Sattel angebracht werden konnte, waren an den Trachten und Zwieseln geeignete Krampen und Ringe angebracht. Der Sitzriemen des Armeesattels war sehr tief nach unten gezogen, damit eine günstige Gewichtshilfe auf dem Rücken des Pferdes ermöglicht werden konnte. Vorder- und Hinterzwiesel waren gegenüber dem Bocksattel viel niedriger gearbeitet. Weiter bedeckten die weit ausladenden Sattelblätter die Teile des Sattels, die unter den Oberschenkeln des Reiters lagen.
Unter den Trachten befanden sich Trachtenkissen entweder aus Filz oder aus gepolsterten Leinen. Beide hatten die Eigenschaft, dass sie relativ schnell ausgewechselt werden konnten, zum Zwecke der Reinigung. Damit der Sattelbaum optimal gewartet werden konnte, war es möglich, diesen ziemlich einfach zu zerlegen. Die aus leder bestehenden Teile der Sattelbekleidung setzten sich zusammen aus: Sattelsitz, Lederkappe und dem Schweißblatt mit Kniepauschen.
Auch innerhalb der anderen Kontingente wurde dieser Sattel relativ zügig eingeführt, natürlich mit entsprechenden Besonderheiten, die sich in Details äußerten.
Die Bewertung des Sattels innerhalb der Quellen
Der deutsche Armeesattel 89 war, wie Gelbhaar richtig bemerkt, ein “Kombinationstyp aus englischen Pritschensattel und Trachtensattel” (Gelbhaar, Axel: Mittelalterliches und frühneuzeitliches Reit- und Fahrzubehör, Hildesheim 1997, S. 174). Optimiert war der Sattel für das Reiten in vollem Gepäck, wobei das Prinzip neu war. Es gab noch weitere Vorteile, die Rizzi aufzählt:
“Seine Vorzüge gegenüber dem alten Sattelmodell lagen auf der Hand. Die Konstruktion war höchst einfach, das Gewicht nur gering, die Beschaffungskosten niedrig. Er zeigte sich als sehr dauerhaft und gestattete einen bequemen, natürlichen Sitz des Reiters und damit auch ein gefühlvolles Reiten, da der Reiter näher am Pferde saß. Aber nicht allein für den Reiter hatte der neue Sattel große Vorzüge, er schonte auch das Pferd in hohem Maße, denn er verhinderte die Druckschäden, die beim früheren Bocksattel in großer Zahl auftraten.” (Otto Ritter von Rizzi, Geschichte der bayerischen Reiterei 1871-1914, München 1932, S. 96)
Weiter erlaubte die Einführung des Armeesattels eine zusätzliche Erleichterung für Pferd und Reiter: Im Felddienst konnte jetzt auf die Sattelüberdecke und den Obergurt verzichtet werden. Daraus folgte, dass die Sattelüberdecke nur noch zur Parade aufgelegt wurde und so die Funktion einer Paradeüberlegdecke erhielt. Dazu äußerte sich Rizzi ebenfalls:
“Schabracken waren nur ein recht wenig für den Felddienst geeignetes Ausrüstungsstück. Bei warmer Witterung machten sie es dem Reiter und dem Pferd sehr warm, bei Regen sogen sie sich voll Wasser, wodurch sich ihr Gewicht erhöhte.” (Rizzi, Reiterei, S. 95)
Der Kavalleriesattel weiter im Vergleich
Durch den Wegfall wurde ein leichteres sowie einfacheres Satteln möglich.
Werden die Gewichte der jeweiligen Sättel verglichen fällt der Armeesattel 89 durch seine Leichtigkeit auf:
- Der Sattel 89 brachte 9 Kg auf die Waage
- der deutsche Sattel der Kürassiere 9,85 Kg
- der ungarische Bocksattel 7,21 Kg, wobei aber noch die Sattelüberdecke (1,68 Kg) und der Obergurt (1 Kg) hinzugerechnet werden müssen, also mit einem Gesamtgewicht von ca. 9,89 zu Buche schlägt
(vgl. zu den Gewichtsangaben auch Roth, Wilhelm/Lex, Rudolf: Handbuch der Militär-Gesundheitspflege, Dritter Band, Berlin 1877, S. 136-140.)
Wie bei allen Ausrüstungsgegenständen verhielt es sich bei Kriegsausbruch so, dass noch lange nicht alle Truppenteile damit ausgerüstet waren. Bis zum Kriegsausbruch des Ersten Weltkrieges waren lediglich die Kavallerie-Regimenter mit diesem Sattelmodell ausgerüstet. Im Gegensatz dazu waren nur vereinzelte Feldartillerie-Regimenter mit diesem Sattelmodell ausgestattet. Der gesamte Train, also die Nachschubeinheiten, hatte weiterhin die alten Ungarischen Bocksättel zu nutzen (in Bayern die Dänischen Bocksättel).
Bei diesem Modell handelt es sich auch in der Hauptsache um das von den Mannschaften genutzte Modell, die Offiziere hatten nochmal eine andere Art, die jedoch auf dieser basierte.
Fazit
Insgesamt war dieser Sattel die Voraussetzung der Einführung einer einheitlichen Ausrüstung für Pferd und Reiter. Durchgesetzt haben sich aus diesem Modell die zugrunde gelegten Kriterien wie Leichtigkeit, einfache Handhabung, Langlebigkeit und Beachtung der reiterlichen Bedürfnisse. So wurde dieser Sattel nahezu unverändert bis Ende des Zweiten Weltkrieges genutzt, in Form des Armeesattels 25, und dabei millionenfach produziert.
Noch heute werden diese Modelle auch von Wanderreitern bevorzugt verwendet.
Quellen
Gedruckte Quellen:
Gelbhaar, Axel: Mittelalterliches und frühneuzeitliches Reit- und Fahrzubehör, Hildesheim 1997
von Rizzi, Otto Ritter: Geschichte der bayerischen Reiterei 1871-1914, München 1932
Roth, Wilhelm/Lex, Rudolf: Handbuch der Militär-Gesundheitspflege, Dritter Band, Berlin 1877
Pietsch, Paul: Formations- und Uniformierungsgeschichte des preußischen Heeres 1808-1910, Berlin 1911, Band 1 und 2.
Kraus, Jürgen: Die Feldgraue Uniformierung des deutschen Heeres 1907-1918, 2. Auflage, Wien o.J., Band 1 und 2.
Lachenmayer, Peter/Klepzig, Wolfgang/Nguyen, Jens: Die Reitvorschriften der deutschen Kavallerie, Wald 2020.
O.N.: Die Vervollkommnung des Reitsattels, in: Kriegstechnische Zeitschrift 7 (1904), S. 82-88.

